Ramón Monegal Mon Cuir Von der Kunst der Haute Parfumerie


Welche Düfte kreiert jemand, dem die Liebe zu Parfums in die Wiege gelegt wurde und der selbst die hohe Kunst der Parfumherstellung als seine Berufung ansieht? Hingebungsvoll mit Herzblut, ganzer Seele und mit versteckten Botschaften, die die Luft, die das Parfum durchstreift, zum knistern bringen?

Der Spanier Ramón Monegal ist solch ein exzellenter Parfumeur, der Kunst und Leidenschaft für das traditionelle Handwerk der Haute Parfumerie in seinen sensationellen Duft-Kompositionen zeitlos zu vereinen versteht. Er beweist Mut zu avantgardistischen Duft-Kreationen, erlesenen Geschmack und die meisterhafte Beherrschung der kompliziertesten und kostspieligsten Duft-Ingredienzien. Seine Kreationen werden aus einer tiefen und reinen Empfindsamkeit heraus geboren, mit schönen und emotionalen Geschichten hinter jedem Duft. Diese Leidenschaft zur Kunst der Haute Parfumerie wird bei Ramón Monegal förmlich greifbar und erlebbar.

Schon früh begann er das Konzept der olfaktorischen Bilder umzusetzen – Bilder, die Düfte in uns heraufbeschwören. Das Konzept der olfaktorischen Bilder kommt auch in meinen Beiträgen oft vor, weil mich diese emotionale Verknüpfung zutiefst beeindruckt und fasziniert. Wir nehmen olfaktorische Sinnesphänomene nur kurz wahr, so flüchtig wie einen zarten Lufthauch, und doch vermögen sie innerhalb von Bruchteilen eines Augenblicks längst vergessen geglaubte Erinnerungen und die damit verbundenen Gefühle in uns wachzurufen und unsere Gedanken durch Raum und Zeit zu tragen.

Im Jahre 2009 begann Ramón Monegal sein persönlichstes Projekt: Die Kreation meisterhafter Parfums geprägt von seiner unverkennbaren Handschrift und absoluter künstlerischer Freiheit. Mit seiner umfangreichen Sammlung der einzigartigsten Duft-Impressionen, möchte Ramón die Liebhaber seiner Parfums dazu einladen, die universelle Sprache der olfaktorischen Kommunikation zu erkunden.

Die Düfte von Ramón Monegal haben mich fasziniert und mir erlaubt an die Magie und wahre Kunst zu glauben, die entsteht, wenn ein außergewöhnlich talentierter Nez eine exquisite olfaktorische Alchemie schafft. Ohne Zweifel sind Ramóns anspruchsvolle Parfums einige der schönsten Beispiele für moderne Haute Parfumerie.
 
Ramón Monegal erkannte den Wunsch der Menschen nach tiefgründig gestalteten Parfums. Er entschlüsselte den Code der Meister-Parfumeure und komponiert seine eigenen intimen und emotionalen Erzählungen. Seine Geschichten erzählt er jedoch nicht durch Melodien, Farben oder Prosa, sondern durch den elementarsten unserer Sinne. Das ist wohl auch das Geheimnis, warum Ramóns Parfum-Kreationen, deren wertvolle Duftstoffe subtil wie ein kostbarer Gobelin miteinander verwoben sind, immer unsere Seele und unser Herz berühren. Mit den edelsten und zartesten Essenzen, die in der Welt der Düfte existieren, erzählt Ramón Monegal wundervolle Geschichten, die ungewöhnlich und gewagt sind und oft überraschend und spannend mit Gegensätzen kokettieren. Das ist die natürliche Sprache der Parfum-Handwerkskunst, erklärt Ramón mit der er Bilder voller Begierde und Magie erschafft.

Parfumeur und Maître savonnier Ramón Monegal

In seinen Düften vermittelt Ramón Werte von Exklusivität, Qualität, Luxus sowie ein herrliches Farbenspiel an Gefühlen, Philosophien, Künsten, Überzeugungen, Erinnerungen und nimmt uns mit auf eine olfaktorische Entdeckungsreise. Dabei ist seine fachliche Leistung, Duftessenzen derart gekonnt einzusetzen, dass sie olfaktorische Botschaften weitertragen, grandios und heutzutage sehr selten. So vermag er zeitgenössische Düfte zu kreieren, die zu unvergesslichen und legendären Klassikern werden. Das gelingt ihm wohlmöglich auch, weil seine außergewöhnliche Arbeit von der Interpretation klassizistischer Elemente, wie Transparenz, Harmonie und Klarheit, durchdrungen ist.

Ein Besuch bei Ramón Monegal in Barcelona
 
Die wichtigste Quelle der Inspiration für Ramón Monegal, neben der Natur, ist die Literatur mit all ihren facettenreichen Charakterzügen, der Prägnanz der Prosa und der Lieblichkeit der Poesie.

Genau wie ein Schriftsteller Buchstaben in Worte und Worte in Sätze verwandelt, so verwandelt Ramón Worte in Noten, Phrasen in Akkorde und Erzählungen in Duft-Kompositionen und wie in einer Erzählung Tinte die Komponente ist, die die erdachten Ereignisse zum Leben erweckt, so rufen Ramóns Duftessenzen die leidenschaftlichen Bilder seiner flüssiggewordenen Romane ins Leben.

Dieser Vergleich verführt mich mir vorzustellen, zu welchen literarischen Helden Mon Cuir (einer meiner Lieblinge aus der Kollektion von Ramón), mit seiner opulenten Tiefe und geheimnisvollen Komplexität aus süßen Blüten und Leder, passen würde?

Als Hommage an seine Quelle der Inspiration, hat der Autor ein ikonisches Tintenfass designed (liebevoll als "l'encrier" genannt) - ein Objekt der Begierde, ein puristischer Flakon, wie aus Kristall geschliffen, der die Seele und Essenz seines Schaffens behütet.
 
Zum Auftakt beeindruckt mich der Duft mit einer berauschenden und zugleich sehr fragilen und feinen Neuinterpretation von Russisch Leder (diese traditionelle Note ist besser als Birkenteer-Akkord aus dem Kanon der Haute Parfumerie bekannt und soll an den Geruch von Lederstiefel erinnern, die einst über Birkenholzrinde gegerbt wurden). Der Duft ist weit entfernt von rauen, harten, rauchigen Lederakkorden, auch sind es keine glatten, weichen, eleganten Ledernuancen, die das Parfum interpretiert. Mon Cuir bleibt geheimnisvoll dazwischen. Bevor die Lederakkorde ihre Opulenz entfalten, präsentiert sich eine herrliche Ouverture aus frisch-fruchtiger und verführerisch-floraler Orangenblüte (diese dominante Orangenblüte entzückt mich – sie ist leicht, süß, jedoch nicht aufdringlich, sondern markant, und die schrittweise Entfaltung dieser erlesenen Komposition macht den Duft umso faszinierender). Das Bittere umschmeichelt hierbei das Süße und es entsteht eine zart-minzige Unternote (ganz fantastisch der Hauch von Kühle und Kontrast – diese unerwarteten Momente sind typisch für die Parfums von Ramón Monegal). Der temperamentvolle Charakter des übermütigen Fitzwilliam Darcy (von Jane Austen), dem durch falschen Stolz und Vorurteile die Sicht auf den wahren Charakter eines Menschen verwehr bleibt und der erst durch die Überwindung inner Krisen reifen muss, um Bescheidenheit und Einsicht zu erlangen, würde hervorragend zu dieser kühnen Duft-Eröffnung passen. Der großzügige Duft, wie auch der werte Mr. Darcy, führen ein spannendes und waghalsiges Spiel aus Widerspruch und Harmonie.

Duftkomposition
Kopf: Leder, Orangenblüte
Herz: Labdanum, Muskatnuss
Basis: Patchouli, Moschus, Sandelholz
 
Im meisterhaft akzentuierten Herzen erblüht nachdrücklich die exquisite Orangenblüte zur Vollkommenheit. Während um das ambra-artige und lieblich-dezent an Honig erinnernde Labdanum ein cremiger Charakter entsteht, der mit leichter Würzigkeit von Muskatnuss (die weich und samtig ist ohne in der Nase zu kribbeln) wunderbar an Tiefe gewinnt und sinnlich und umschmeichelnd wirkt. Es ist dieser herrliche Kontrast zwischen floralen Noten in Kombination mit dieser raffiniert-scharfen Lederspur, der diesen von aristokratischer Eleganz geprägten Duft so spannend und einzigartig macht. Die Duftbotschaft von Mon Cuir ist die Geschichte einer Begegnung von intensiver und unwiderstehlicher Anziehungskraft. Losgelöst von Konventionen, frei und grenzenlos getragen von der Sehnsucht, zu einander zu finden, sich zu berühren, Haut auf Haut. Die schöne und tugendhafte Prinzessin von Montpensier (von Madame de La Fayette), eine gefühlsbetonte junge Frau mit bezaubernder Ausstrahlung, die voller Raffinesse die Herzen von gleich drei Edelmännern erobert und in das Dilemma verfällt sich zwischen Moral und Leidenschaft entscheiden zu müssen, würde diese Dufteigenschaften sagenhaft darstellen. Dieser Duft gleitet ohne Anstrengungen von tiefsten Nuancen zu himmelhoch leichten Tönen. Er erschafft damit eine pulsierende Extravaganz, die maskuline Kraft und feminine Anmut vorzüglich verbindet – durch das Intimste, das beide gemeinsam haben: Sinnlichkeit und Verführung (und aufgrund dieser facettenreichen Dualität kann der Duft sowohl von der Dame als auch von dem Herren getragen werden).

Bei Ramón Monegal in Barcelona gibt es spannende 
Einblicke in die Arbeit eines Parfumeurs zu bestaunen
z. Bsp. eine Parfumorgel

Zum ausladenden Finale wird der Duft wärmer und wirkt dichter und weicher. Auf der Haut erklingt der erdig-herbe und balsamisch-süße Duft von indonesischen Patchouli und die fein-holzigen und pudrig-süßen Nuancen von aphrodisierenden Moschus sowie das samtig-warme und cremige australische Sandelholz. Der pudrige Moschus-Charakter ist weich, transparent, auf eine andere Art süß (floral) und die animalischen Facetten sind sehr dezent gehalten. Langsam trocknet der Duft auf meiner Haut und hinterläßt die wundervolle Schönheit von edlem, zarten Leder. Die dunklen, cremigen Noten, die diesen Akkord bestimmen, bilden eine verführerische Kulisse, die die Sinne umgarnt und dessen Reiz sich niemand entziehen kann. Der Ausklang von Mon Cuir illustriert eine prachtvolle Vielschichtigkeit, wie sie nur die breitgefächerten und künstlerisch vollkommenen Charaktere russischer Literatur auszustrahlen vermögen. Deshalb passt das Bildnis des glanzvollen und unprätentiösen Offiziers Graf Alexej Wronskij (von Leo Tolstoi), der sich gegen alle Moralvorstellungen der adligen russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in eine gefährliche Amour fou mit Anna Karenina stürzt, perfekt dazu. Diese Liaison aus Russisch Leder, Orangenblüte und edlem Sandelholz strahlt Noblesse aus und passt am besten zu den Attributen der kontrastreichen Persönlichkeit des Grafen Wronskij. Einem Verführer, der um die Kraft von unvergesslichen Momenten glühender Leidenschaften weiß. Die verführerische Aura von Mon Cuir (wie auch die des Grafen Wronskij) ist stark, emotional, unwiderstehlich und gibt eine überraschende Alchemie preis, die Verwegenheit und Begehren perfekt versinnbildlicht.

Die tiefgründige Komplexität der exquisiten Duftstoffe von Mon Cuir demonstriert eindrucksvoll, wie bravourös Ramón alle Noten verwoben hat und wie sie miteinander korrespondieren, um im Ergebnis diesen klassizistischen Duft auf moderne Weise zu interpretieren.

Mon Cuir ist auf elegante Weise einfach. Nach einem Parfum mit solch einer widersprüchlichen Duftimpression, aus einer wahrhaft herrlichen Neuinterpretation einer klassischen Russisch Leder Note, umrundet mit hautzart-blumigen Akzenten, habe ich mich lange gesehnt. Das Parfum schlägt schwerere, dunklere, tiefgründigere und geheimnisvollere Klänge an und büßt dabei seine Zartheit und Süße dennoch nicht ein.

Alle Parfum-Kreationen von Ramón Monegal sind mit großer Sensibilität und Sorgfalt erdacht. Tradition verpflichtet und Ramón Monegal stammt aus einer Dynastie der wichtigsten Parfumeure in Barcelona und Spanien und repräsentiert die vierte Generation der Gründer des legendären Parfumhauses Myrurgia (der wohl bekannteste und erfolgreichste Duft aus dem Hause Myrurgia ist Maja), welches der offizielle Hoflieferant des spanischen Königshauses und das wichtigste internationale Parfumhaus in Spanien war.

Sein Studium der Parfumkunst begann Ramón Monegal im Jahr 1972 in Genf bei seinem Mentor, dem Maître Parfumeur Artur Jordi Pey. Die nächsten Etappen seiner Ausbildung führten ihn nach Grasse zu Marcel Carles und schlussendlich nach Paris zum Meister-Parfumeur Pierre Bourdon. Ramón verschmolz dabei vollständig mit dem mystischen Universum der wertvollsten Duftessenzen und lernte seine Fähigkeiten bei der Suche, Auswahl, Beschaffung und Beurteilung der besten natürlichen Zutaten herauszubilden und zu verfeinern – jener bestimmender Qualitäten, die einen wahren Nez ausmachen.

Ramón Monegal läßt sich von Duftmolekülen zu neuen Rezepturen inspirieren.
  
Der Meisterschüler wurde schnell selbst zum Meister und kreierte 1979 seinen ersten eigenen Duft Alada. Der Duft wurde zu einem unerwarteten und sehr großen Erfolg, der sich über mehrere Dekaden hinweg als marktführendes Parfum in Spanien etablierte. Von diesem Zeitpunkt an übernahm Ramón Monegal die künstlerische Leitung von Myrurgia. Bald darauf avancierte er zum Vizepräsidenten des familieneigenen Parfumhauses und kreierte u.a. Düfte für Adolfo Domínguez, Antonio Miró, Aigner, Inès de la Fressange, Don Algodón und Massimo Dutti.

Im Jahre 2000, als das Haus Myrurgia seinen Höhepunkt erreichte, erwarb Antonio Puig das Unternehmen und bat Ramón Monegal zu bleiben, um die Duftentwicklung seiner eigenen Myrurgia-Marken weiterzuführen. Als nach sieben Jahren die Produktion der Myrurgia-Düfte allerdings eingestellt wurde, verließ Ramón das Unternehmen, weil seine emotionale Bindung an die Familien-Projekte, denen er den größten Teil seines Lebens gewidmet hatte, verschwand.

Nach einer Zeit der Reflexion und des Experimentieren, begann er seine persönliche Parfum-Linie, von der er sein ganzes Leben lang geträumt hatte, zu verwirklichen. Er sehnte sich danach, Menschen mit seinen Düften direkt zu erreichen, wie eine wahrer Parfumeur.

Nach über 30 Jahren in seinem Beruf, ist Ramón Monegal ein Meister-Parfumeur und ein authentischer Nez. Die Herausforderung für ihn besteht nun darin seine exzellenten und wegweisenden Leistungen und sein Fachwissen an die fünfte Generation seiner Familie weiterzugeben.

Ein Parfum kann nur auf die Ebene der Kunst erhoben werden, wenn es durch die absolute Freiheit des Verstandes, des Geistes und der Seele erschaffen worden ist, lautet Ramóns Devise. "Der Weg zur Renaissance der wahren Parfum-Handwerkskunst aus der vergangenen goldenen Ära, ist nur möglich, wenn Formeln, notwendige Ingredienzien und Proportionen, entwickelt und verwendet werden, ohne von Kosten oder anderen hemmenden Faktoren in Schranken gezwungen zu werden", erklärt Ramón Monegal seine Arbeitsweise.

Ramón Monegal ist ein feinfühliger Künstler, der die Bedürfnisse der Zeit erkennt. In der rastlosen Welt von heute, sind Menschen schnell gelangweilt und wollen immer Neues, gleichzeitig sehen sie sich nach Beständigkeit, nach etwas, das bleibt. Ramóns Düfte folgen keiner modischen Launenhaftigkeit. Er bleibt seiner handwerklichen Kunstfertigkeit der Parfumherstellung loyal und erschafft Düfte, die zeitlos sind. Dabei ist es nicht entscheidend neue Duftstoffe zu kreieren, die Kunst besteht vielmehr darin, Duftmoleküle gekonnt miteinander zu kombinieren, so dass diese zu einem Duft verschmelzen, der unvergessen bleibt, wie die Erinnerung an eine Liebesgeschichte.

www.ramonmonegal.com
Fotos © Ramón Monegal Parfums Barcelona / Fotograf: Friedel Scholten