Sylvaine Delacourte, Lilylang, Smeraldo, Dovana, Helicriss, Florentina


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Aufrichtig und fragil, so schonungslos wie poetisch - der Entschluss einer eigenen Parfum-Marke das Leben zu schenken, kam für Sylvaine Delacourte einer persönlichen Metamorphose gleich hin zu mehr Mut und (paradoxerweise) auch mehr Zerbrechlichkeit. Denn mit ihren Düften offenbart sie der Welt ihr intimstes – Emotionen, Sehnsüchte und Geschichten und immer wieder Erinnerungen an erlebnisreiche Reisen – eingefangen und olfaktorisch wiederbelebt, als hätte sie diesen Momentaufnahmen aus ihrem Leben ein Stück Seele eingehaucht. In den ersten fünf Düften ihrer Kollektion, lässt uns Sylvaine Delacourte verschiedene Persönlichkeiten von dem edlen und mysteriösen Rohmaterial des weißen Moschus entdecken und kreiert ganz neuartige, sehr moderne und verblüffend puristische Interpretationen dieser Ingredienz - farbenreich und differenziert umgesetzt, schöner hätte ich es mir wohl nicht wünschen können. Ob fruchtig-sonnig, pflanzlich-frisch, nüchtern-rein, holzig-würzig oder pudrig-samtig – Sylvaine beherrscht die Klaviatur der Moschusakkorde perfekt (wie sie bereits mit einer Vielzahl von herausragenden Düften eindrucksvoll für Guerlain unter Beweis gestellt hat) und möchte nun, dass Duftliebhaber alle Facetten erkunden, die ein außergewöhnliches und schwierig zu meisterndes Material wie Moschus zu bieten hat. Deshalb beinhalten die Kompositionen auch nicht nur eine Moschusnote, sondern eine besondere Mischung verschiedener Moschussorten. Das Zusammenströmen dieser reizvollen Mixtur, zieht mich sanft, aber bestimmt in das Innerste der Düfte hinein, wo voller Leichtigkeit und ohne ambitionierte Anstrengung die Kompositionen von Ingredienz zu Ingredienz schweben und zu einem kurzweiligen Vergnügen geraten. Madame Delacourte ist eine große Liebhaberin von Moschus. Diese Ingredienz ist leicht wie Seide, edel wie Samt, weich wie Kaschmir, zudem sehr beruhigend, elegant, raffiniert und warm und hat die unerreichte Fähigkeit, eine Parfum-Komposition zu beleben, die Ausstrahlung zu verstärken und abzurunden. Das Aroma schmiegt sich ganz nah an die Haut, doch hinterlässt keine Spur von sich in der Luft und ist nur äußerst leicht wahrnehmbar (nur in reinen Monodüften kommt der faszinierende Charakter gänzlich zum Vorschein). Moschus hat eine gute Haltbarkeit, allerdings ist es sehr kompliziert dessen Diffusion zu händeln und zu bändigen. Dieser Rohstoff ist deshalb sehr schwer zu erfassen und zu bearbeiten. Oft muss ein ganzer Blumenstrauß um Moschus orchestriert werden, damit ihn jeder gut ausmachen und der Duftbaustein zusammen mit der Körperwärme eine harmonische Aura entwickeln kann. Dieser Herausforderung – Moschus gut versprühbar und wunderbar zur Geltung kommen zu lassen – hat sich Madame Delacourte angenommen und diese, wie ich finde, bravourös gemeistert und damit wieder einmal eindrucksvoll gezeigt, dass sie zu den vielseitigsten Künstlerinnen ihres Genres gehört.  
 


Die homogene Kollektion beeindruckt mich mit ausgefeilten, geschmackvollen und dabei minimalistischen Arrangements, die sich stets auf das Wesentliche konzentrieren und mit jeder Ingredienz glasklar die intonierende Moschus-Grundnote unterstreichen. Sommerlich leicht: Das ist die Grundstimmung, in der französischer Charme und die französische Lässigkeit ganz nonchalant miteinander verschmelzen. Die Kollektion hebt sich aber nicht nur von der Machart wohlwollend von anderen Moschusdüften ab. Wo andere Parfum-Marken Moschus dichtgewebt und plakativ überdosieren und an den vermeintlichen Reichtum altbekannter olfaktorischer Moschus-Pfade aus den 80ern und 90ern anknüpfen (und damit leider allzu oft Kopfschmerzen auslösen - zumindest bei mir), setzt Sylvaine auf luftige und lockere Elemente und eine Basis, die durch langlebige und ausdrucksvolle Tiefe punktet und dadurch sehr zum Zauber, den ihre Parfums ausstrahlen, beiträgt. Ihr merkt es sicherlich schon, ich bin Sylvaine außerordentlich zugetan. Denn ich bewundere und schätze ihre Arbeit schon seit Jahren. So ist es mir eine riesengroße Freude, euch nun endlich ihre Kollektion vorstellen zu dürfen.

Mit spielerischer Neugier und einem Talent gesegnet, das über die Jahre immer ausgefeilter und brillanter wurde, hat Sylvaine Delacourte ein außergewöhnliches Feingefühl für Rohmaterialien und innovative Moleküle entwickelt. Ihre jahrelange Erforschung von Duftnoten hat sie gelehrt mit viel Geduld die unterschiedlichsten Materialien für ein optimales Zusammenspiel präzise miteinander zusammenzufügen, um wunderschöne Duft-Symphonien zu entwerfen, die in sich stimmig und ausgewogen sind. Wer sich auf La Collection Muscs einlässt, muss damit rechnen sich in die jedes Mal unterschiedlich kombinierten Moschus-Duftprofile, die stets gegensätzliche Facetten des Materials betonen und in ihrer Originalität miteinander konkurrieren und neue sinnliche Erlebnisse hervorrufen, zu verlieben. Zwischen lakonischer Melancholie und bittersüßer Ironie erzeugen diese flüchtigen Duft-Melodien mit ihren im Näschen haftenden, sensationellen Hooklines eine Intensität, die mich in ihren Bann zieht. Denn diese Duft-Kompositionen lassen ein Universum der Bilderwelten im Kopf entstehen, in die ich mich fallen lassen möchte (und ihr sicherlich auch). Starten wir also dieses Experiment und entdecken unterschiedliche Noten vom weißen Moschus - einerseits voller dynamischer Lebendigkeit und anderseits äußerst gefühlvoll arrangiert.
 
Die Farben der Sonne und des Lichts – Gelb und Orange – inspirierten Sylvaine Delacourte zu Lilylang (ich bin ganz vernarrt in den Namen – Chapeau bas für diese Namenschöpfung) - einer heiteren und sonnendurchfluteten Essenz, mit weichen Eigenschaften und ausgeprägt-fruchtiger Intensität. Im Zentrum brilliert der Duft aus Ylang Ylang - der wesentliche Baustein dieser umhüllenden, jedoch nicht zu schweren Komposition. Einst entdeckte Sylvaine die Blume der Blumen auf der Insel La Réunion und bewundert seitdem ihren außergewöhnlich sonnigen Charakter über alle Maßen. Die großen Blüten dieses tropischen Baumes verströmen einen intensiven, süßlichen Duft, erscheinen zunächst grün und werden gelb, wenn sie reifen sind und können nur dann einmal im Jahr am frühen Morgen geerntet werden. Um das kostbare Ylang Ylang Öl zu erhalten, müssen die frischen Blüten dann sofort nach dem Ernten destilliert werden.

Die erste Impression von Lilylang ist köstliche Fruchtigkeit. Der Duft öffnet sich sehr fröhlich mit einem Hauch von sonnengereiftem Obst und vermittelt mir unbändige und unbeschwerte Vergnüglichkeit. Fast schon wie mit einem koketten Augenzwinkern kommt mir ein bunter Schwall sprudelnder und herb-süßer Aromen von Limette entgegen. Diese exotische Zitrone vermischt sich vorzüglich mit der deliziösen, vollmundig-saftigen Mandarine und wird von der eisgekühlten, leicht bitteren Säure spritziger Bergamotte schillernd akzentuiert (diese Kombination mag in besonders gerne, da die Mandarine die Säure der Bergamotte immer mildert und eine orangenfruchtige, helle, sehr angenehme, dafür aber etwas zurückhaltende, nicht zu sehr spritzige, Fruchtigkeit erzeugt). Dieses Hesperidenkonzert offenbart eine maßgeschneiderte Frische, die mit Finesse herausgearbeitet wurde und gleichermaßen sanft, wie auch kraftvoll, erscheint. Auch ein dezent würziger Charakter schließt sich an, der diese herrlich-frische Fruchtigkeit fabelhaft ausbalanciert. Sylvaine Delacourte hat viel Freude daran neue Dufterlebnisse zu erschaffen und versteht sich meisterhaft auf subtilen Anspielungen. Deshalb würzen und erwärmen rosa Pfefferbeeren diese Zitrus-Noten und verleihen ihnen eine explosive Frische - eine kleine Portion scharfer und erweckender Gewürzpower. Diese leicht grünen und pfefferigen Nuancen unterstreicht wundervoll das Prickeln der Zitrusfrüchte und bringen ihre ganze Reinheit zum Ausdruck. Die strahlend roten Beeren kitzeln mich neckisch unter der Nase und meine Vorfreude, auf das was alles noch kommen mag, wächst.

Die Zitrusfrüchte weisen mir nach einer Weile den Weg zu einem riesigen, sonnig-strahlenden Strauß sinnlicher Blüten, die für ein anregendes heiß-kaltes Ambiente im Herzen sorgen. Plötzlich schweben diese sanften Blüten in Hülle und Fülle mit großer Ausstrahlungskraft über meine Haut – nicht zu schwer, dafür in ihrer ganzen Vielschichtigkeit und Komplexität. Hier reiht sich süß-florale und aphrodisierende Tuberose an Jasmin voller wild-fruchtiger Noten und sinnlich-narkotischer Nuancen, die dieser Komposition ihre Feinheit verleihen (dafür wählte Sylvaine das Absolue des Jasminum Grandiflorum aus Ägypten – auch als Königsjasmin bekannt – mir scheint, dass Jasmin hier tonangebend ist, den anderen Blüten jedoch genügend Raum zur Entfaltung lässt). Die Konturen dieses Bouquets sind sehr ausgefeilt orchestriert und in wohlüberlegter Harmonie zueinander, um ein überraschend zartes und wohldosiertes Ylang Ylang mit seinem betörend-exotischen Duft, aufgebaut. Damit wird eine außergewöhnliche, lichterfüllte Lieblichkeit erreicht, die ebenso leicht wie graziös und absolut unwiderstehlich ist.
 
Ich liebe Ylang Ylang als frische Blüte. Doch gefällt mir die olfaktorische Note dieser Essenz in Parfums nicht immer, da das ätherische Öl einen sehr starken und sehr schweren Geruch mit würzigen Facetten (an Nelke erinnernd) hat, der sich sehr von dem Duft der frischen Blüten unterscheidet. Umso mehr bin ich begeistert, wie brillant Sylvaine die Essenz von Ylang Ylang, die an die Schönheit des Aromas, den die Blüte direkt nach der Ernte versprüht erinnert, hier in Szene und in spielerische Interaktion mit den anderen Blüten gesetzt hat. Lebhaft und einzigartig wird der weitere Duftverlauf durch die Ylang Ylang Blüten bestimmt. Sie entblößen sich, offenbaren ihre sinnlichen und mitreissenden Noten. Doch erstaunlicherweise blühen sie nicht auf, werden nicht opulent, erscheinen immer zart und zerbrechlich, locken ganz unschuldig, trotzdem anmutig, mit einem flüchtigen Hauch ihres feinen Blütendufts. Doch dann explodieren ihre Aromen geradezu auf meiner Haut, als hätte Sylvaine die Euphorie gerade aufspringender Ylang Ylang Blüten eingefangen. Ihr sonnig-floraler Duft ist bis in die sinnlichen Komponenten des Fonds zu spüren. Das ist sehr effektvoll komponiert, so dass Lilylang eine bunte, tief-sonnige und exotisch-fruchtige Wirkung auf mich hat.

Dieses prächtige Bouquet edler Blüten gipfelt in einer zauberhaften fein-holzigen und pudrigen Nuance der luftigen und samtigen Grundnote von streichelzarten weißen Moschus. Der Fond wird dadurch sublimiert und aufgelockert, so dass Lilylang selbst im Ausklang nie zu üppig wirkt, sondern zart, sanft, seidig und leicht bleibt, aber Tiefe und zusätzlich lange Haftung verliehen bekommt und zum Finale mit der Wärme einer exquisiten Benzoe-Struktur (mit seinem Hauch an Vanille erinnernden Geruch) kuschel-weich umhüllt wird. Der Duft hypnotisiert mich, berauscht mich und ist dabei trotzdem sooo total relaxt und schafft damit eine einzigartige Atmosphäre spielerisch-fröhlicher Sommertage.

Ich muss gestehen, dass ich mich in Lilylang verliebt habe. Er ist einer meiner zwei großen Favoriten aus der Kollektion. Sein Duft - dieser weiche und zärtliche moschusartige Traum von Unbeschwertheit und Sinnlichkeit aus weißen und gelben Blüten - kommt mir so vertraut vor und lässt in mir Erinnerungen an die süße Stille glücklicher Sommerurlaube in der idyllischen Toskana erwachen, als ich noch ein Kind war und die Sommerferien endlos lang schienen... und ich erinnere mich, wie ich meine Eltern im Morgengrauen weckte, während die Sonne erst erwachte und den Himmel in die schönsten Violett- und Goldtöne tauchte und sie die engen Gassen entlang zerrte, durch beschauliche Hügellandschaften, hinauf zu den mit Obstbäumen verzierten Hängen, um den Sonnenaufgang von ganz oben genießen zu können... wie ich barfuß in der tiefstehenden Nachmittagssonne am fast menschenleeren Strand Muscheln sammelte und die rauschenden Wellen des türkisblauen Meeres meine Fußspuren im Sand auslöschten... oder wie wir am Rande des Strandes durch die malerische Landschaft spazierten, entlang von Pinnenwäldern und duftenden Gärten und die Sonnenstrahlen selbst noch spät am Abend meine gebräunte Haut streichelten. Wenn ich Lilylang jetzt aufsprühe, habe ich den gleichen Eindruck warmer Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ich finde es wunderschön, wie der gesamte Duftverlauf mit sonniger Konstanz versetzt ist - voller kristallklarer Leichtigkeit und sonnenwarme Heiterkeit. Ein Duft, der mit dem Sonnenaufgang entsteht und die olfaktorische Melodie meiner Urlaubsträume bildet, wie eine lustvolle Reise in den Sommer, auf zu neue fernen Ländern. Lilylang erzählt von Sommer, Wärme und Leichtigkeit, jaaa... aber nicht so, wie viele andere Düfte, sondern subtiler und edler, hinreißend schön und unnachahmlich filigran, dass ich meinen könnte, dieser sanfte Duft sei gar kein Duft, sondern ein Tagtraum von immenser Strahlkraft und einem süßen Geheimnis, welches ich eigentlich nur für mich behalten und gar nicht teilen möchte. Also psst!
 
Mit Smeraldo wollte Sylvaine den Grundstoff des weißen Moschus ganz in Grün interpretieren und ein Parfum erschaffen, das so rein ist wie die Morgenluft und gleichzeitig den Zusammenprall zweier Welten widerspiegelt - den belebenden Aspekt der pflanzlichen Frische und die Milde des weißen Moschus. Also machte sie sich mit dem Fingerspitzengefühl eines Goldschmieds daran, ein neues Gleichgewicht auszuloten, um die ideale grüne Moschus-Frische zu finden. Der Duft erinnert mich tatsächlich an frische Morgenluft. Allerdings an Morgenluft aus einem Garten nach einer regnerischen Sommernacht. Ein Garten verströmt sein schönstes Aroma immer nach einem heftigen Regenschauer im Sommer. Dann geben die Erde, das Grün und die Blüten ihre Duft-Moleküle frei und die Natur verführt uns mit ihrem ureigenen Parfum, wenn wir morgens barfuß im Garten im kalten und noch taufeuchten Gras spazieren. So beginnt Smeraldo sehr angenehm, ruhig und zurückhaltend und voller Natürlichkeit mit einer aromatischen, feucht-nassen (leicht süßlichen) Frische. Das ist ein fabelhafter Kontrast zur Lebendigkeit im weiteren Duft-Verlauf.

Wie eine glanzvolle Nacht in das vibrierende Hell des Tages übergeht, so entfaltet auch der knisternde Duft den intimen Zauber seiner Texturen auf meiner Haut. Als würde sich die golden strahlende Sonne den verloren geglaubten Himmel von der dunklen Nacht zurückerobern, steigen zunächst Bitterkeit ausdrückende konzentrierte zitrische Noten empor, die Sylvaine hier exzellent mit den Aromen der ausgesprochen delikaten fernöstlichen Yuzu-Frucht, die in ihrem Duftspektrum Anklänge von Mandarine, über Grapefruit und Limette bis hin zu Bergamotte vereint, zum Ausdruck gebracht hat. Welch ein köstlich-spritziger Einstieg in eine wohlwollende Welle aus grünen Wohlfühlnoten, die den ersten Duftimpressionen einen überraschenden Schwung verleiht. Dadurch bekommt der Duft eine prickelnde Duftspitze, die frisch und präsent ist doch gleichzeitig auch beruhigend wirkt. Die Frische und Saftigkeit dieser fruchtig-perlenden Nuancen, verflüchtig sich recht schnell, gleich den letzten noch verbleibenden Regentropfen, die von den ersten warmen Sonnenstrahlen gekitzelt werden und glitzernd und funkelnd, über Blätter und Fruchtschalen, fließend zu Boden fallen.

Als die Morgensonne weiter emporsteigt, folgt ihr Smeraldo mit vielen unterschiedlich facettierten grünen und pflanzlichen Schattierungen. Zunächst noch ganz zaghaft und verhalten, dann rasch und farbenfroh das Duft-Geschehen ganz für sich einnehmend. Engelwurz entfaltet dabei hocharomatische, warme, intensiv-frische und leicht erdig-krautige Akzente (ein Schelm, der hier an Angélique Noire denkt *zwinker*). Für Smeraldo kommt das durch Wasserdampfdestillation gewonnene essenzielle Öl aus der Angelika-Wurzel zum Einsatz. Aus diesem hat Sylvaine ganz schwache Aspekte, die an unwiderstehliche Aldehyde (sie gehören zu den synthetischen Duftstoffen) erinnern, herausgearbeitet. Das Resultat sind rohe Aromen von Gras und grünen Pflanzen, die dem Duft einen Hauch von einer frischen Brise schenken. Hinter dieser scheinbar schlichten Fassade lockt die sanfte Sinnlichkeit eines transparenten und sehr gut ausbalancierten Hauchs aus Rosen. Dieser offenbart sich ganz allmählich voller cremiger und gehaltvoller Wachse und umgarnt damit die frische Luft. Trotzdem entwickelt sich keine allzu großzügige Rosen-Üppigkeit. Denn die Rosennote ist von puristischem Arrangement. Es scheint als seien die Rosen noch von zartem Tau benetzt und von der luftigen Subtilität ihrer Blütenblätter geprägt und ihr Aroma so frisch wie nur irgend möglich aufgefangen, um die frischen, eleganten Eigenschaften dieser Blume zu betonen. Dieses kraftvolle Erblühen der würzigen Rosen wird durch die herbe Honigsüße des Weißdorns aufgehellt und mit erfrischenden (saftigen, köstlichen) Birnennoten (allerdings weniger fruchtig-süß, eher herb-ungeschält) zum Schweben gebracht. Dabei wird eine zitronig-blumige Impression enthüllt. Alles wird nun floraler, süßer, ohne dabei die belebende zart-grüne (Moschus)Cremigkeit einzubüßen.

Die frische Morgenluft erwärmt sich. Auch die Temperatur von Smeraldo steigt. Doch das Tempo verlangsamt sich und der Duft kommt auf meiner Haut zur Ruhe. Sein Duft intensiviert diese natürliche Atmosphäre, beginnt sanft, dann stetig stärker nach diesen wild-blühenden Nuancen zu duften und nimmt immer mehr dieser Aromen in sich auf und wird nach und nach von harzigen, sehr aromatischen, pfeffrigen (zu meiner Verwunderung sogar leicht) fruchtigen und würzigen Noten des Mastixstrauchs (auch Wilde Pistazie genannt) gespickt, die dem Parfum nun eine tiefere Dimension verleihen. Diese vibriert im Fond mit dem Echo von leicht rauchigen Vétiver (einer Sorte aus Haiti, die weniger bitter ist und den grünen Hauch bis zum Schluss durch die gesamte Komposition trägt). Seine holzigen Schwingungen schenken dem Parfum zusammen mit Zedernholz Struktur und Wärme, steigen in beinahe grenzenloser Intensität auf, bis sie von umhüllenden, pudrigen Moschusaromen gemildert werden. Damit verbreitet sich eine wunderbare Aura (für ein cremig-delikaten Drydown von überraschender Ausdauer), während zugleich auch die knackige Mineralität betont wird. Smeraldo ist ein überaus interessanter (und im positiven Sinne irritierender) Duft, der mich durch seinen Mild-Grün-Süß-Moschus-Charakter fasziniert und an eine erstrahlende Landschaft erinnert - erfrischend, aromatisch und vielfältig. Je länger und je öfter ich in diesem paradiesischen Garten schwelge, desto mehr grün-schillernde Facetten entdecke ich. Solche Düfte, die einem olfaktorischen Landschaftsgemälde gleichen, gefallen mir deshalb sehr gut.
 
Basierend auf der Suche nach Ausgeglichenheit und Harmonie in einer Welt überreizter Sinne, enthüllt Sylvaine Delacourte eine intime Seite ihres Universums und erzählt, dass sie mit Dovana den Duft und die Geschmeidigkeit der Seife aus ihrer Kindheit rekreieren wollte. Jedoch verwebte sie diese Idee mit einer zeitgemäßen Sensibilität. Denn Sylvaine wollte dem Originalduft ihrer Kindheitserinnerungen zwar treu bleiben und den ersten Eindruck von Vertrautheit bewahren, jedoch diesen auch moderne Facetten hinzufügen, um ihn in eine olfaktorische Figur von heute zu verwandeln. So präsentiert sich der Duft in einer weißen, cremigen, fast seidigen Weichheit, gepaart mit prickelnder Fruchtsäure als Symbol für Reinheit und Frische.

Der bereits (sehr!) vielversprechende erste Eindruck enthüllt mir eben jene Frische – eine sehr intensive Frische – dabei weder als typisch zitrisch, noch klar als blumig erkennbar, dafür sehr edel, sehr weiblich, sehr zurückhaltend – die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Komposition zieht – sich allerdings sich nicht all zu zitrisch entwickelt, sondern ganz klar, transparent und sehr rein und puristisch bleibt. Dies erscheint mir verwirrend und diffus, nicht ganz greif-, geschweige denn erklärbar und das ist es auch, was diesen Duft so besonders und so unverwechselbar für mich macht. Ich kann bereits den unwiderstehlichen Hauch von wunderbare Sanftheit erahnen, die alle Ingredienzien formvollendet auslotet und meine Sinne in Verzückung versetzt. Ich hätte vermutet, dass dies die Nuancen des weißen Moschus sind. Doch Sylvaine erklärte mir, dass eine andere Komponente, die das Kostbare mit dem Wesentlichen vereint, diese Wahrnehmung erzeugt. Das Zentrum dieser feinsinnigen und frischen Mélange gestalten Ambrettesamen aus Ecuador, die verzaubern und garantiert im Gedächtnis bleiben. Diese stammen von der Ambramalve (auch bekannt als Bisamstrauch oder Abelmoschus moschatus) einer krautartigen Pflanze mit großen gelben Blüten, die zur Familie der Malvengewächse gehört und eine Verwandte des Hibiskus ist. Die Samenkörner werden getrocknet, gemahlen und durch Wasserdampfdestillation wird das ätherische Öl gewonnen, welches in der Parfumherstellung wegen seines angenehmen Dufts sehr beleibt ist. Dieses Öl hat eigentlich eine deutliche (leicht säuerliche) Branntweinnote und ähnelt den holzig-balsamischen Nuancen von Ambra – quasi eine Art vegetarischer Moschus, scherzte Sylvaine und fügt hinzu, dass dies eine sehr luxuriöse Note sei. Doch für Dovana hat Sylvaine ganz gezielt nur die leichten moschusartigen Noten mit dezenten blumig-süßlichen Anklängen herausgeschliffen, die sich durch eine sanfte, natürliche Wärme auszeichnen. Dies ist eine Mischung, die ganz anders riecht, als alles was ich sonst so kenne. Ein ganz und gar fragiler und federleichter Duft, der durch die hell-grünen Töne der Iris Pallida – in ihrer edelsten Variante und von einer wundervollen Cremigkeit – ergänzt wird. Die Präsenz der Iris ist verführerisch ohne Umschweife und immer elegant und von subtiler Raffiniesse – mal warm dann kalt – mal kühl und zurückhalten und dann wiederum weich wie Samt. Diese faszinierenden sprunghaften Stimmungen der Iris tragen dazu bei Lebendigkeit und einen frisch-blumigen Akzent in die nüchterne Komposition zu bringen. Damit wird das Parfum intensiviert, ohne es zu verzerren.

Dieser erste Frischeeindruck wird vom Schimmer sonnengetränkter Mandarine (in ihrer ganzen Einfachheit, unverfälscht und sehr erfrischend) akzentuiert. Die strahlenden, kühlen und frischen Eigenschaften dieser Zitrusnote verleihen dem Ganzen einen fruchtigen Touch und spielerischen Twist, der einen kleinen Windhauch auslöst und Blütenblätter regnen lässt. Dadurch wirbeln glänzende Rosen – prall und saftig, in ihrer reinsten Form, ganz weich, pur und wahrhaftig (eine sehr naturnahe Verkörperung des Dufts einer Gartenrose, ohne die Schwere altmodischer Blumendüfte) – und Heliotrop (aus dem süße und blumige Noten entliehen wurden, anstatt der sonst bekannten Mandel-Marzipan-Akzente) im Herzen umher. Sylvaine hat aus der Resonanz dieser dahingehauchten Blüten etwas gezaubert, dass von einer ganz eigenwilligen und erhabenen Schönheit ist. Allmählich mischen sich auch erfrischend-herb duftende und fruchtige Noten von Neroli (aus Tunesien) mit ihrem wundervollen, aromatischen, frisch-grünen Aroma in das Dufterlebnis und werden von zart-weißen Orangenblüten und einem Honigtupfer ihrer Fruchtsüße (schlicht und schlichtweg bezaubernd), der dem Duft eine glamouröse Seite und eine weiche, berauschende Wärme verleiht, flankiert. Für eine ganz lange Weile bleibt alles so und ich darf dekadent in dieser Fülle schwelgen, ohne von ihr erschlagen zu werden.

Es kommen nun vermehrt cremige kostbare Elemente hinzu, die mit dem floralen Herzen verschmelzen. Sie schenken diesem zarten und bezaubernden Parfum in ihrer Verbindung einen unschuldigen aber dennoch nicht zurückhaltenden Touch. Eine akkurate Eleganz entsteht, wie geflüstert und zurückhaltend. Das Weiße und das Leichte versinnbildlichen die Suche nach einer unwirklich perfekten Kindheitserinnerung und meine Stimmung pendelt zwischen kindlichem Optimismus und einem Hauch Sorglosigkeit.

Das außergewöhnliche Moschus-Duo – Ambrette in der Ouverture und weißer, purer Moschus im Ausklang – sorgen für ätherische Leichtigkeit, bildet eine Symbiose, die mit warmen, feinwürzigen und hocharomatischen Sandelholz seidig verziert ist. Die dezente, holzige, leicht milchige Sinnlichkeit von Sandelholz (mitsamt seiner warmen Holznote) trägt auch dazu bei, dass die Frische über die gesamte Dauer des Duftes hinweg anhält. Das Resultat dieser Duftentwicklung ist eine unvergleichliche Gleichzeitigkeit von Wärme und Frische, die mit einem verführerischen Hauch weichen Vanilledufts, der als unmerklich rauer Akzent mit balsamischen (ja stellenweise sogar lederartigen) Facetten die Sinne schärft, ohne sie zu überreizen, kontrastiert wird.

In einer Welt, die sich jeden Tag schneller zu drehen scheint und stets neue Herausforderungen bereithält, sehne ich mich nach einem Gefühl von Ruhe. Oft brauche ich einfach kleine Pausen zum atmen im lauten und hektischen Trubel des Lebens und hier geht es um all jene kleinen und ruhigen Momente, die Freude in unser Leben bringen und ganz pur und einfach sind. Denn das schönste ist einfach... Eigentlich... Dovana vermittelt mir ein Gefühl von Unbeschwertheit und erinnert mich ein bisschen an den Duft der weltbekannten Creme im blauen Tiegel mit den fünf weißen Buchstaben, den wir wohl alle aus unserer Kindheit kennen und der bereits Francis Kurkdjian und Danielle Ryan olfaktorische Inspirationen schenkte. Und so werden auch in mir Erinnerungen wach, als meine Mama mich jeden Abend nach dem Baden mit der blauen Dose durch das halbe Hause verfolgte und mich sorgsam eincremte, ich es aber überhaupt nicht mochte, den Duft aber damals schon liebte – ich glaube dies ist auch eine meiner ersten olfaktorischen Erinnerungen. Deshalb schlummert in Dovana nicht nur die Summe seiner Inhaltsstoffe, sondern auch ein Hauch Nostalgie, das gute Gefühl von Mama umsorgt zu werden und sich sicher und behütet zu fühlen. Mit dieser Duftkreation hat Sylvaine Delacourte etwas zärtliches und weiches geschaffen - ein olfaktorisches Seelenpflaster. Merci!
 
Die französische Insel Korsika besteht zum großen Teil aus einem Hochgebirge und ist von einem immergrünen Teppich bedeckt, einem oft undurchdringlichen Dickicht (aus Gräsern, Bäumen und Farnen, aus Ginster, Zistrosen, Wacholder, Rosmarin, Lavendel und Myrte), der sich fast über die gesamte Insel legt – jener duftenden Macchia, die im Frühjahr in voller Pracht erblüht. Die Immortelle (bot. Helichrysum) ist nicht nur die Namensgeberin von Helicriss, sondern steht mit ihrem feinwürzigen Duft auch in dessen Zentrum, weil diese Blume Sylvaine an wunderschöne Urlaubsmomente auf Korsika erinnert. Reisen ist ein Genuß für die charmante Französin und bedeutet, sich Zeit zu nehmen, die Seele eines Ortes kennenzulernen. Jeder neue Aufbruch ist deshalb eine Suche und Entdeckung von seltensten, originellsten Essenzen, die eine Vision von Schönheit vermitteln, um zu Hause angekommen daraus dann ungewöhnliche Kompositionen entstehen zu lassen. Kaum eine andere Mittelmeerinsel erstrahlt in solch einer Farbigkeit. Stark duftende Blumen, Sträucher und Pflanzen sind typisch für diese Vegetation und erzeugen einen unverwechselbaren Duft. Auf Korsika war ich zwar noch nicht. Dafür schon unzählige Mal an der Westküste Italiens auf meiner entzückenden toskanischen Lieblingsinsel Elba und diese weist eine sehr ähnliche, wenn nicht sogar identische, Flora auf. Auf schmalen Uferpfaden und Klippenwegen ist es dort auch ein einfaches bis zum Hals in einen Ozean von Blüten einzutauchen und den Marsch durch das weiße oder blassrosa Blütenmeer zu genießen, das jenseits der steil abfallenden Klippen abrupt ins tiefe Blau des Mittelmeers übergeht.

Die Strohblume wächst dort auf ganz trockenen Böden. Ihre gelb-golden schimmernden Blütenköpfchen bringen das Buschwerk zum Leuchten und entfalten im Sommer ein sehr warmes, sonniges und würziges Aroma (das stellenweise sogar mit einer leichten Kaffeenote und Nuancen von Honig und Tabak überrascht, verriet mir Sylvaine). Ihr Duft ist überaus langanhaltend, die Immortelle ist dafür bekannt, dass ihre Blüten nie verwelken, die getrocknete Pflanze soll an die 10 Jahre weiterduften, weshalb sie im französischsprachigen Raum Immortelle – also unsterblich – getauft wurde. Inspiriert von dem faszinierenden Leuchten der Immortelle, spielt Helicriss mit der Anziehungskraft der Kontraste... Licht erscheint im Schatten... Kälte löst Wärme ab... Sinnlichkeit und Stärke formen eine Symbiose...

Der irisierende Glanz der sonnigen Seele der Immortelle-Blüte entflammt regelrecht den Auftakt und wird mit süßlichem und ausgeprägt scharfen-würzigem Zimt bestreut. Für einen kurzen Augenblick entsteht eine orientalische Stimmung. Darüber schwebt wie schwerelos ein Flair prickelnd-verlockender, sehr dynamischer, herber Aromen von Bergamotte, Zitrone und Pampelmuse (letztere kommt eher selten in Düften vor, weshalb Sylvaine sie in allen ihren Facetten zelebrieren wollte, dazu gehört auch die leicht bittere weiße Innenhaut – deren Charakter durch die grünen und knackigen Aromen der versammelten Zitrusfrüchte toll betont wird). Diese hell strahlenden Akkorde tanzen um die gelben Blüten der Immortelle, pointieren ihr Aroma in einer wunderschönen Brillanz und kitzeln aus ihr eine leichte, feine, abstrakte würzige Note hervor (die entfernt und ein kleines bißchen an Curry erinnert, nicht ohne Grund wird diese Pflanze auch Currykraut genannt – diese Note ist aber wirklich nur ganz hauchzart skizziert). Beim nächsten Atemzug reflektieren weitere Gewürze, wie Rosmarin, Lavendel und Salbei, die vom aromatischen Zedernholz flankiert werden, diese olfaktorische Konstellation, bevor sich eine Brise frischer Luft hinzugesellt. Dies ist eine würzige Weichheit, umgarnt von sanfter Blumigkeit und minimaler Zitrusfrische, die an dicht bewachsene Wälder entlang der Inselküste erinnert – sehr mediterran, wie eben die Düfte auf Korsika oder Elba.

Nach einer Weile vollzieht die Immortelle-Blume eine Metamorphose, wird in ihrem Duft-Charakter dunkler und allmählich immer wärmer bis ihr Odeur schlussendlich explodiert. Diese Empfindung versinnbildlichen sehr ausdrucksstarke Kräuter- und Gewürzaromen, die sich mit der erlesenen Intensität der Immortelle verbinden, diese verzieren und die Fülle und Komplexität ihres Fluidums in ein olfaktorisches Erlebnis übertragen (diese Gegensätzlichkeit von hell und dunkel wird durch den Kontrast von frischen, würzigen und sinnlichen Noten sehr gut widergespiegelt). Damit wird die warme Textur der Tonkabohne herausgelockt. Die umhüllenden und runden Nuancen der edlen Bohne legen sich über die gesamte Komposition und verleihen ihr eine laszive Sinnlichkeit und hinterlassen eine magnetische Spur. Aus dieser Dunkelheit steigt ein seltsam vertrauter Akkord empor und zähmt behutsam den ekstatischen Überschwang. Die feinen und anziehenden Akzente der Tonkabohne bringen mit ihrer unmittelbaren Verführungskraft diese Komposition zum Glühen. All diese olfaktorischen Eindrücke werden nun von der rauchig-harzigen, wohltuenden und sinnlichen Wärme von Weihrauch und Benzoe weich aufgefangen und münden in dem tiefgreifend-balsamischen, trocken-hölzernen, sinnlich-exotischen Duft von Patchouli. Damit wird der in dieser Komposition ohnehin sehr intensiv dosierte Moschus nur noch weiter verstärkt (hier wurde übrigens Tonalid-Moschus verwendet, der sehr erdige Aspkete in sich vereint). Der Duft punktet durch seine sehr gekonnte, stilistische Balance, die nach Ferne und Abenteuer schmeckt, nach würzigen Noten und der endlosen Weite.

Das Parfum ist das einzige der Kollektion, das sehr maskulin anmutet. Seine provokante Radikalität kommt vor allem in den gewagten Gewürznuancen zum Ausdruck und verbindet den Glanz der Immortelle-Blüte mit dem abgründigen, mystischen Wesen von Weihrauch. Es hat ein ganz unglaubliches Charisma, ist voluminös, doch niemals schwer, ist leuchtend und zeigt gleichzeitig eine unglaubliche Tiefe mit einer sehr kraftvollen Seite. Vielleicht zu kraftvoll für mich. Denn der Duft ist nicht mein Duft. Alle, die würzige Düfte mit Moschusanteilen mögen, empfehle ich aber unbedingt einen Schnupper-Test.
 

Sylvaine Delacourte ist im Norden von Frankreich, in der Nähe von Lille, aufgewachsen und Florentina ist ihr wohlduftendes (und für mich absolut atemberaubend-schönes) Tribut an ihre Kindheit. Mit dem Duft verbindet sie Erinnerungen an den Gesichtspuder ihrer Mutter und deren Lieblingsparfum – dem überaus sinnlichen Youth Dew... an Veilchen, mit denen ihr Vater ihr sonntags immer eine kleine Freude bescherte oder an die leckeren Mandel-Vanille-Pfannkuchen ihrer Großmutter und schließlich an ihren italienischen Lieblings-Körper-Babypuder Borotalco von Roberts (der heute immer noch erhältlich ist – zumindest in den Weiten des Internets).

All diese Dufterinnerungen verschmelzen zu einem wonnevoll pudrigen (fast wie weichgezeichneten) Duft und Florentina beginnt wunderschön mit einer verführerischen süßlich-mandeligen Mélange. Die Mandel-Note erscheint zunächst zart und überaus köstlich, jedoch nicht allzu süßlich - ja sogar fast fluffig und sahnig-cremig in manchen Momenten, wie ein köstlicher Hauch, der aus unserer Lieblings-Pâtisserie entschwindet und uns mit dem Duft lukullischer Genüsse umgibt – wird dann aber (vermutlich durch einen herb-fruchtigen Spritzer Bergamotte) schnell sehr hell und sehr grün und sehr frisch, wie ein früher Morgen, dessen kühle Luft die verschlafenen Sinne reanimiert.

Auf die rasch abklingende Frische spüre ich den Hauch von poetischer Unschuld, den dieses Parfum mit seiner Leichtigkeit verkörpert. Ein süffisantes Lächeln scheint die Kreation dabei auf den Lippen zu haben. Ein Signal, dass das alles frech und verspielt ist. Die sonnengeküssten violette-blauen Blüten der Iris Pallida, mit ihrer unwiderstehlichen, narkotisierenden, kristallinen Aura, treffen auf die Sinnlichkeit weißer Orangenblüten und wühlen meine Sinne auf. Dabei ist ihr Duft weder überkonzentriert noch opulent, sondern strahlend klar und erfrischend und fesselt mich mit seiner lustvollen, sinnlichen Fülle und floralen Transparenz. Ich vermute, dass die Präsenz dieser komplexen Architektur, in ihrer pudrig-frischesten und zartesten Form, auch das Wesen des Dufts ausmacht – voller Erhabenheit, Anmut und kühler Schönheit (wusstet ihr, dass die Florentinische Schwertlilie mit zu den kostbarsten und teuersten Duft-Ingredienzien der Welt gehört? ...alleine die Gewinnung ihrer Essenz bedarf sechs Jahre – drei Jahre dauert der Anbau und weitere drei Jahre braucht die Pflanze, aus denen die „Irisbutter“ gewonnen wird zum Austrocknen, bevor mit der Extraktion begonnen werden kann – interessanterweise hat die Blüte selbst gar keinen Geruch, die opulenten Duftmoleküle sind in der Wurzel verborgen). Sylvaine fängt die Iris Pallida auf beeindruckende Weise ein. Dezent, überhaupt nicht erdig, dafür herrlich fruchtig-floral. Es entsteht ein feiner, flüchtiger und perfekt ausgewogener und sanfter Geruch von einer wundervollen Pudrigkeit – ganz hautnah und sehr samtig. Nach und nach entwickeln sich daraus vanillig-weich-cremige Akzente, die von einer grandiosen Fülle fruchtig-süßer Aldehyde durchtränkt sind (wie ich sie aus guten alten Guerlains her kenne und liebe) – allerdings ohne die geringste Gefahr, ins Métier von klebrigen Gourmand-Düften abzudriften.

Dies ist eine sehr ausgefeilte Note mit vielen Facetten, wie aus einem perfekten blumenreichen Frühlingstag entliehen. Es gehört viel Fingerspitzengefühl diese Iris-Aura, deren Ausstrahlung von kühlen grünen Nuancen bis hin zu fruchtigen floralen Noten changiert, so schön herauszuarbeiten. Diese subtile olfaktorische Note, duftet allerdings eher wie die Erinnerung an eine Iris anstatt den traditionell schweren Duft der gesamten Blume zu verkörpern. Ein Akkord, der die eigene zurückhaltend-stolze Art der Iris ganz natürlich verkörpert und dadurch sehr leicht wirkt und einen in sich geschlossenen höchst interessanten Spannungsbogen bildet (insbesondere, wenn sich die dichte Pudernote mit dem leicht süßlichen, harzigen Duft von Benzoe vereint). Das ist Femininität in Reinform und sehr französisch noch dazu. Die Iris Pallida zeigt sich von Beginn an von einer unvergleichlichen Eleganz, gewinnt später an Tiefe und entwickelt sich sehr prachtvoll, in dem sie mit dem Absolue der Orangenblüte (das einen zart-weißen Duft hinterlässt) zu einer hauchzarten und fruchtigen Nuance, einerseits kindlich-verspielt, andererseits mit prägnanter Textur, verschmilzt und dieser noblen Komposition einen hypnotischen und sinnlichen Aspekt verleiht. Hier kommt Madame Delacourtes Liebe zum Detail und zu den feinen und leisen Noten sagenhaft zum Ausdruck.

Das seidenweiche Geflüster der Moschusnoten (die sich durch die gesamte Struktur ziehen und immer wieder unvermutet hervortreten - und die narkotische Iris-Aura in strahlend weißes Licht tauchen und sie in der Pracht weißer Blüten baden) fügt zum Ausklang ein sehr flauschiges Gefühl hinzu, einen luftigen, weißen und reinen Duftschleier, der allerdings unter seiner Oberfläche verheißungsvoll vibriert. Diese weichfließende Duftstruktur wird vom leicht vanilligen Heliotrop und entzückenden Veilchennoten sowie sanft-würzigen, blass-lilafarbenen Lavendelrispen umspielt, um das blumige Bouquet dieses Parfums zu vervollständigen (ich finde, dass Heliotrop und Veilchen hier zusammen einen ganz edlen kosmetischen Dufteffekt erzeugen, wohlmöglich, weil dieses wunderschöne Veilchen in seinem vollkommenen Naturell ist - zurückhaltend, ein wenig schüchtern, sanft und zart). Diese Kombination hinterläßt den Eindruck von Klarheit, Sauberkeit und frischem Wohlbefinden, der von Nelke mit ihrem würzigen Charakter gestützt wird, während Vétiver (aus Haiti) seine klassischen, trockenen und harzigen Töne stiftet, die mich durch eine luftige, holzige Kraft bestechen (von ihren erdigen Noten jedoch befreit sind). Ein Gegensatz hätte ich zu Beginn geglaubt, aber nein, durch diese Unterschiedlichkeit der Noten, erhält der Duft gerade einen ungeahnten Reichtum einer ineinanderfließenden und einhüllenden Weichheit, die rings um die Klarheit und erhabene Eleganz der Iris aufgebaut wurde. Daraus entwickelt sich eine stark strukturierte pudrig-samtige Frische, die dank ihres kräftigen Gefüges lange anhält.

Dies ist mein zweiter großer Favorit der Kollektion - ein weicher, ganz und gar zärtlicher und überaus skinniger Duft, der mit leisen Tönen, sehr ausdrucksvoll und vielschichtig zu faszinieren weiß. Obwohl das Wort skinnig diesen Dufteindruck nicht wirklich beschreibt. Er ist weder klassisch pudrig noch wirklich süß. Urheberin dieser Impression ist die wunderbar samtig-weiche und sanft-verträumte Iris-Note, die die ursprüngliche Formel der Florentiner Schwertlilie wieder aufleben läßt und das überaus modern interpretiert. Jedes Mal wenn ich Florentina aufsprühe, zaubert mir der Duft ein Lächeln ins Gesicht. Auf bloßer Haut löst diese zarte Weichheit ein unwiderstehliches Empfinden aus und scheint regelrecht mit meiner Haut zu verschmelzen und seidenweichen meine Sinne zu streicheln. Auf so einen Duft hat meine Haut(chemie) sehnsüchtig gewartet. Er ist präsent ohne sich auch nur annähernd aufzudrängen, hat keine Ecken oder Kanten, riecht wie die eigene Haut, ist sehr harmonisch und begleitet mich den ganzen Tag und ich fühle mich in seiner Duft-Aura einfach geborgen, wie in einem zarten Pashmina-Schaal eingekuschelt (damit hätte Sylvaine ihr Versprechen dann wohl auch eingelöst). Ein einfaches und doch unvergessliches Parfum zugleich, das nicht nur die Haut, sondern auch das Herz erreicht und in dem sich frohe Gefühle und positive Gedanken vermischen... ganz losgelöst und federleicht und voller Glück... wie ein wohliges Flimmern auf der Seele... wie ein Balsam, der meiner Seele schmeichelt und mich tröstet, wann immer ich mich danach sehne und wann immer ich am liebsten einen Moment abtauchen möchte, die Tür zur Außenwelt einfach schließen, um dem Alltag zu entfliehen, Zeit zu haben für die Dinge, die mir am meisten am Herzen liegen... Liebe, Familie... Freunde - wenn auch nur für ein paar gestohlene Augenblicke. Um dann gestärkt wieder kopfüber rein ins Leben zu springen.

Ich bin immer sehr fasziniert davon, wie Düfte uns in Raum und Zeit reisen lassen. Oft genügt ein Dufthauch und eine längst vergessen geglaubte Erinnerung lebendig werden zu lassen. Sylvaine beherrscht die Kunst des olfaktorischen Geschichtenerzählens exzellent und öffnet damit Schatullen voller Erinnerungen. Ich finde es sehr spannend Düfte zu besprechen und die einzelnen Komponenten in all ihren Facetten zu beschreiben. Bei diesen Düften von Sylvaine fiel es mir zum ersten Mal recht schwer, weil sie tatsächlich etwas in mir berührt haben und mein Verstand stellenweise pausierte. Das ist wohl Magie, wenn wir aufhören zu analysieren und uns dem Zauber hingeben. Geht es nicht genau darum in Düften... Gefühle auszulösen? Wer Parfum liebt, will es nicht nur riechen, sondern vor allem erleben und auf der Haut lebendig werden lassen. Wenn ihr die Kreationen von Sylvaine Delacourte kennt, werdet ihr das Köstliche ihrer Düfte in La Collection Muscs auch wiederfinden und sofort erkennen, dass dies urtypische Delacourte-Düfte sind, denen sie ihre schier unendlich abgestufte künstlerische Modulationsfähigkeit und Subtilität im Umgang mit seltenen und wertvollen Rohstoffen zugutekommen läßt. Denn (fast) niemand versteht es so schön, wie Sylvaine, unaufgeregte Eleganz und die Magie der lichtdurchlässigen Leichtigkeit mit extremer Strahlkraft zu vereinen.

Fortsetzung...
 
www.sylvaine-delacourte.com
Fotos © Sylvaine Delacourte